Wenn man hinter die Marketing-Fassade blickt
Mit Apple ist es wie mit Mercedes. Die Marke genießt hohes Ansehen. Jeder will sich gerne damit schmücken. Aber viele schreckt einfach der überzogene Preis ab. Und dann gibt es noch eine ganze Reihe anderer Gründe, die eigentlich dagegen sprechen. Und so geht der Kampf zwischen Ratio und Emotio am Ende immer wieder doch zugunsten der vernünftigen Entscheidung aus.
Vor ein paar Tagen war ich in Hamburg in einem Apple Store. An den Produkten kann ich durchaus Gefallen finden. So ein superflaches und ultraleichters MacBook Air würde auch ich mir gerne in die Messenger Bag packen. Auch das iPhone liegt ausgesprochen gut in der Hand und bei den iPads gefällt mir einfach, dass es dafür eine praktische Tastatur gibt, die aus einem Tablet fast schon einen vollwertigen Notebook macht.
Kürzlich besuchte ich die Jahrestagung des Texterverbandes, um mich mal wieder mit alten Kollegen zu treffen. Ein Kollege berichtete von seiner Reise durch Indien und wie er es geschafft hat, trotz monatelanger Abwesenheit zu Hause weiterhin seine Kunden im fernen Deutschland zu betreuen. Auf die Frage einer Zuhörerin, ob er denn jemals Probleme mit seinem Computer gehabt hätte, antwortete er: „Ein Hoch auf Apple. Das Gerät hat mich selbst unter den widrigsten Bedingungen nicht ein einziges Mal im Stich gelassen.“
Er reihte sich damit nahtlos in den Chor der anderen Apple-Nutzer ein, von denen eigentlich nie ein negatives Wort zu hören ist.
Trotzdem wird aus mir vermutlich nie ein Apple-Jünger. Nicht, weil mir die Produkte unter dem Zeichen des angebissenen Apfels nicht gefallen würden. Auch nicht, weil ich von deren Qualität nicht überzeugt wäre. Aber mir gefällt einfach nicht die Abhängigkeit, in die sich Kunden von Apple begeben. Apple ist weitgehend ein in sich abgeschlossenes Universum und das Unternehmen tut alles, um seine Kunden an der kurzen Leine zu halten und an die eigene Systemwelt zu binden.
Apple-Jünger und die Anderen
Das alles erinnert mich irgendwie an den Habitus einer Sekte und genau das spürte ich auch beim eingangs erwähnten Besuch im Apple Store. Irgendwie hatten die Leute dort etwas von Jüngern, die sich in ihrem eigenen kleinen Paradies wähnten. Mir kam das irgendwie befremdlich vor. Wie die BMW-Fahrer, die sich nie im Leben etwas anderes kaufen würden. Oder die Mercedes-Fans, die der festen Überzeugung sind, ein Auto mit Stern ist schlicht und einfach das Nonplusultra unter den Fahrzeugen. Bei Mercedes weiß ich, dass es schon lange nicht mehr stimmt. Von BMWs habe ich keine Ahnung und VWs sind mir einfach zu langweilig.
Außerdem stehe ich ja irgendwie über den Dingen. Schließlich habe ich Marketing studiert und weiß, was eine „Marken-Persönlichkeit“ ist, wie man die erschafft und was für eine bemerkenswerte Leistung es ist, zu den einsamen Sternen am Himmel einer bestimmten Branche zu zählen. Ich weiß aber auch, dass es sich bei einer Marke lediglich um ein künstliches Gebilde handelt, das mit bestimmten Werten aufgeladen wurde und eine ganz bestimmte Zielgruppe im Visier hat.
Ein guter Name ersetzt auf Dauer keine gute Qualität
Qualität kann dabei durchaus zu den Kernwerten einer Marke zählen. Muss es aber nicht. Und ein Unternehmen, das seinen Markenkern nicht sorgfältig pflegt, kann schnell sein Ansehen verspielen. So habe ich zum Beispiel jahrelang aus Überzeugung Anzüge von Boss getragen. Bis mich ein Schneider, der eine Änderung vornehmen sollte, auf die billige Verarbeitung aufmerksam machte. Schick waren die Anzüge immer noch. Aber Material und Verarbeitung sind offensichtlich im Laufe der Zeit der Gewinnmarge geopfert worden. Und das genau an den Stellen, an denen es der Kunde nicht sofort merkt.
Wer Marketing-Wissen im Hinterkopf hat, wird vermutlich nie zu den Jüngern einer bestimmten Marke zählen. Ich zum Beispiel zähle mich eher zu den Individualisten, die sich abseits des Mainstream bewegen und selten das toll finden, was alle toll finden.
Deshalb fahre ich ein Auto, dem man nicht auf jedem Parkplatz und an jeder Kreuzung begegnet. Aber ich mag es und fühle mich wohl damit. Ich schreibe diesen Text auch nicht auf einem Apple, sondern auf einem Dell. Als bei meinem letzten Dell die Tastatur Aussetzer hatte, habe ich mir eine Anleitung aus dem Internet heruntergeladen und mir bei eBay für einen 2-stelligen Betrag eine neue Tastatur besorgt. Der Austausch dauerte eine Viertelstunde. Einen Apple hätte ich noch nicht einmal öffnen, geschweige denn selbst reparieren können. Dabei ist es genau diese Freiheit, die bei mir positive Impulse auslöst.
Außerdem bin ich ein Freund von allgemein anerkannten Standards. Und ich habe ich etwas dagegen, wenn mich ein Unternehmen vereinnahmen und von sich abhängig machen will. Genau das aber ist bei Apple der Fall. Ein Apple ist eben nur mit einem Apple kompatibel, während die Schnittstellen zur Außenwelt auf das Nötigste begrenzt sind. Deshalb ist mein MacBook Air eben ein Dell XPS. Der ist genauso massiv konstruiert, genauso schick und genauso leicht. Aber er beruht eben auf offenen Standards und lässt mir damit alle Freiheiten.
Ein Mythos ganz schnell entzaubert
Was noch das häufig geäußerte Argument offen lässt, dass der Apple wirklich einfach zu handhaben sei und man nie Probleme damit hätte.
Im Vergleich zu Windows kann ich das nachvollziehen. Windows ist nämlich in meinen Augen ohnehin eine Krankheit. Deshalb läuft auf meinen Rechner auch Linux, genauer gesagt Kubuntu. Das fühlt sich fast so wie Windows an, ist aber unter der Haube entscheidend einfacher zu warten und lässt sich genau an meine Bedürfnisse anpassen. Außerdem haben MacOS und Linux – wenn man weit genug zurückgeht – dieselben Wurzeln, was man irgendwie auch spürt.
Vor kurzem hat mich eine Freundin gefragt, ob ich ihren MacBook dazu bewegen könne, sich mit ihrem WLAN zu Hause zu verbinden. Erst habe ich gesagt, dass ich von Apple eigentlich keine Ahnung habe. Aber dann habe ich mir die Sache doch einmal angesehen. Zu meiner großen Überraschung stieß ich dabei auf eine Oberfläche, die mir nur allzu vertraut vorkam. Auch die Netzwerk-Einstellungen waren an derselben Stelle und die Verbindung zum WLAN war in fünf Minuten erledigt.
Ich bleibe also bei meinem Dell. Ich bleibe bei Kubuntu Linux. Ich erhalte mir die Freiheit, selbst über meinen Rechner und sein Betriebssystem bestimmen zu können. Ich denke nicht über die Marketing-Strategien von irgendwelchen Unternehmen nach, sondern konzentriere mich einfach auf meinen Job und schreibe selbst überzeugende Marketing-Texte.