Und plötzlich war es da, das papierlose Büro
Vom papierlosen Büro wurde geredet, seitdem die ersten Computer auf den Schreibtischen gesichtet wurden. Daran geglaubt hat lange Zeit niemand. Doch wenn ich mich heute in meinem Büro umsehe, steckt das meiste Papier eigentlich im Papierkorb. Aktenordner pflege ich nur noch fürs Finanzamt und das sind eigentlich auch die einzigen Gestrigen, die mir noch immer Briefe in den Briefkasten werfen.
Als ich Anfang der 90er Jahre dem Texterverband beitrat, lächelten die meisten Kollegen noch über dieses Internet, von dem alle redeten. Eine E-Mail-Adresse hatte damals noch keiner und eine Website erst recht nicht. Die meisten hämmerten ihre Texte noch immer mit der Schreibmaschine aufs Papier und schickten Papiermanuskripte zum Kunden. Meine Texte erstanden zwar schon am PC. Aber am Ende wurden sie trotzdem auf Papier ausgedruckt, denn wir alle steckten noch tief in der Papierwelt. In den Werbeagenturen saßen damals noch echte Künstler, die mit eindrucksvollen Mappen zum Kunden kamen, in denen großformatige Layouts steckten, die sie von Hand zusammengeklebt hatten. Ich als Texter kam mir damals immer ziemlich unbedeutend vor. Ein simples Manuskript machte eben nicht allzu viel her, auch wenn ich genauso viel dafür haben wollte.
Kennen Sie das allererste Notebook? Ich hatte es!
Ich hatte schon damals einen ausgeprägten Spieltrieb. Deshalb war ich auch hellauf begeistert, als der Olivetti M10 vorgestellt wurde. Das war gewissermaßen der Urahn des Notebooks und der erste tragbare Computer mit eingebauter Tastatur und aufklappbarem Display. Auf dem ließen sich sage und schreibe vier Zeilen a 80 Zeichen darstellen. Aber ich konnte damit zum ersten Mal auf der Terrasse schreiben. Oder im Zug, wo ich von den Zeitung lesenden Mitreisenden interessiert beäugt wurde. Die hatten nämlich eine Schreibmaschine ohne Papier noch nie gesehen.
Mein erster Desktop-Rechner war dann ein Olivetti M20. Den habe ich eigentlich nur gekauft, weil er so schick aussah, während die anderen Rechner eigentlich nur langweilige Kisten waren. Er hatte eine Festplatte mit geradezu unvorstellbaren 20 Megabyte Speicherkapazität. Megabyte, nicht Gigabyte, wohlgemerkt.
Erste digitale Gehversuche
Einer meiner besten Kunden war damals eine Werbeagentur, die mich ordentlich beschäftigt hielt. Die hatten zwar immerhin schon einen Computer, aber von E-Mail hatten sie noch nie etwas gehört. Nicht selten musste ich spät abends zum Spätschalter der Post fahren, um einen Eilbrief mit Manuskript und Diskette an die Agentur zu schicken. Manchmal musste ich sogar extra 60 km dorthin fahren, weil es für die Post bereits zu spät war und ich das Manuskript fest versprochen hatte.
Das alles wurde mir aber irgendwann zu umständlich. Also fuhr ich eines Tages hin, schloss kurzerhand ein Modem an den einzigen PC der Agentur an und erklärte der erstaunten Sekretärin, was sie tun musste, um sich künftig die Manuskripte von meiner Mailbox herunterzuladen. Das war zwar noch nicht wirklich digital, aber immerhin schon online.
Mein Büro war damals ein reines Papierlager. Da standen meterweise Leitz-Ordner im Regal, in denen fein säuberlich alle "Vorgänge" abgeheftet wurden. Im Bücherregal gab es dicke Handbücher für die Programme, die auf meinem Rechner liefen. Ich hatte eine eindrucksvolle Sammlung an Wörterbüchern und in einem Schrank stapelten sich kartonweise Briefumschläge, Tonerkartuschen und Druckerpapier. Wie gesagt, man sprach viel vom papierlosen Büro, aber gesehen hatte es noch niemand.
Bücher sind eigentlich nur noch Deko
Dieses "Damals" ist mittlerweile fast schon drei Jahrzehnte her und hat so ziemlich nichts mehr mit dem zu tun, was heute mein Büro ausmacht. Es gibt zwar noch ein Bücherregal, aber das hat eigentlich nur noch dekorativen Charakter. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zum letzten Mal eines der dortigen Nachschlagewerke benutzt habe. Wenn ich etwas wissen will, gehe ich zu Wikipedia & Co. Dort wurde mir bisher noch jeder Fachbegriff erklärt. Und wenn ich einen Text ins Englische übersetzen muss, findet Google Translate weitaus schneller die entscheidenden Begriffe als jedes Wörterbuch.
In einer Ecke steht noch immer ein Drucker. Der ist allerdings schon ein paar Jahre alt und ein ziemlich wuchtiges Ding. Manchmal nutze ich ihn auch als Scanner, um ein Papierdokument in ein PDF zu verwandeln. Er soll auch die Rolle eines Faxgeräts spielen können, aber das habe ich noch nie probiert. Er ist noch nicht einmal an die Telefondose angeschlossen. Wozu auch?
Manuskripte wurden in diesem Büro noch nie ausgedruckt. Das einzige, Papier, das bei einem Auftrag entsteht, ist die Rechnung. Aber bei immer mehr Kunden genügt es mittlerweile auch, wenn ich ihnen einfach ein PDF schicke. Habe ich früher tausend Papierunterlagen um mich herum ausgebreitet, um mich in ein Thema einzulesen, gibt es heute zwei Monitore, auf denen alles Platz hat. Den Papierkorb muss ich nur einmal in der Woche leeren und auch das nur, weil es noch immer Leute gibt, die auf Papier werben und mir den Briefkasten damit vollstopfen.