Digitale Wirtschaft: Jetzt geht es erst richtig los
Manchmal braucht eine Entwicklung erst den richtigen Anstoß, um ins Rollen zu kommen. In vielen Bereichen war Corona dieser Anstoß. Da wurden plötzlich Technologien zur Normalität, die jahrelang im Schatten standen. Und Entwicklungen wurden deutlich, die sich schon seit Jahren abgezeichnet haben. Nehmen wir einfach mal zwei Beispiele:
Bildtelefonie gibt es schon seit den 80er Jahren. Skype ist bereits seit 17 Jahren auf dem Markt. Auch Video-Konferenzsysteme und Lösungen für Online-Seminare, -Konferenzen und -Präsentationen sind alles andere als neu. Der richtige Durchbruch kam aber erst 2020 und der hat mit dem Buzzword des Jahres zu tun: Corona.
Besonders größere Hotels erwirtschaften einen erheblichen Teil ihres Umsatzes mit Seminaren, Tagungen und Konferenzen. So eine Veranstaltung bringt viele Gäste ins Haus, lastet die Küche aus sorgt dafür, dass die Bar bis in die Nacht bestens besucht ist. Doch 2020 brachte nicht nur den Shutdown und sorgte mitten in der Ostersaison für leere Häuser und damit null Umsatz. Die Verbote und Verordnungen, mit denen seitdem regiert wird, hat auch öffentliche Veranstaltungen extrem eingeschränkt und teilweise sogar unmöglich gemacht.
Konferenzen gibt es seitdem kaum noch. Seminare finden nur noch im ganz kleinen Rahmen statt. Die alljährlichen Tagungen wurden 2020 fast vollständig abgesagt, weil sich viele Unternehmen die ganzen Corona-Einschränkungen einfach nicht antun wollten. Dazu kommen zahlreiche Messen, die 2020 abgesagt wurden und damit auch keine Besucher in die Stadt holen, an denen Restaurants und Hotels bisher gut verdient haben.
Vor allem Tagungen und Konferenzen finden jetzt zunehmend online statt. Zwar muss dabei auf das gemeinsame Essen und den krönenden Abschlussball verzichtet werden. Aber die Inhalte der Veranstaltung werden trotzdem vermittelt. Das hat den Vorteil, dass keiner die Couch oder den Bürostuhl verlassen muss, um an einem Firmenevent oder einer Präsentation teilzunehmen. Der Nachteil ist allerdings, dass es kaum möglich ist, ins Gespräch zu kommen und persönliche Kontakte zu knüpfen. Aber immerhin verläuft die Sache nicht völlig eindimensional und man kann sich per Chat zu Wort melden und an der Diskussion teilnehmen.
Selbst komplette Produkteinführungen finden mittlerweile vor dem Monitor statt. So ein Event macht vor maskierten Zuschauern in irgend einem Saal ohnehin keinen Spaß mehr. Das erspart dem Unternehmen irrsinnige Summen. Aber es bedeutet auch das Aus für unzählige Eventagenturen und nimmt Künstlern die Butter vom Brot, die eben für Firmenevents jetzt nicht mehr gebucht werden.
Wobei man davon ausgehen kann, dass die erzwungene Situation nicht einfach irgendwann zu Ende sein, sondern dauerhafte Folgen haben wird. Schließlich macht es nicht immer Sinn, dass Dutzende, Hunderte oder Tausende von Besuchern in eine Stadt strömen, um dort einen Branchenevent zu zelebrieren.
Obwohl das den meisten Städten mittlerweile ganz guttut. Die haben nämlich noch unter einem völlig anderen Aspekt zu leiden, der durch Corona nochmals verschärft wurde. Die Rede ist von der zunehmenden Verödung der Innenstädte. Der Online-Handel hat nämlich mittlerweile Dimensionen angenommen, die wirklich jeder Händler in der Fußgängerzone zu spüren bekommt. Wer bisher aus Gewohnheit zum Einkaufen in die Stadt gefahren ist, der ist eben während des Shutdowns zu Hause geblieben. Und er hat eben einen der großen Online-Händler genutzt, um zu bestellen, für was er sonst einen Nachmittag im Shopping Center verbracht hätte.
Auch das wird dauerhafte Folgen haben. Online-Shopping hat nämlich eine Reihe unbestreitbarer Vorteile, die seit Corona immer mehr Konsumenten entdeckt haben. Man spart nicht nur viel Zeit, Treibstoff und Gebühren fürs Parken oder den ÖPNV. Man kann auch auf das komplette Angebot zugreifen, wie es vor Ort kein auch noch so gut sortierter Händler bieten kann. Man muss sich auch nicht selbst um den Transport seiner Einkäufe kümmern, sondern bekommt alles direkt vor die Tür geliefert.
Anders gesagt: Dem Online-Handel gehört die Zukunft. Der Einzelhandel in der City wird weiter sterben und irgendwann wird ihn niemand mehr vermissen. Städte werden als Handelsplatz ihre Bedeutung verlieren, denn für einen Händler wird es künftig keinen Sinn mehr machen, hohe Mieten in der Innenstadt zu zahlen, wenn er statt eines Ladengeschäfts nur noch ein Versandlager für DHL braucht.
Die Gemeinden werden damit nicht nur Umsatz in Form von Parkgebühren und Knöllchen verlieren. Auch die Gewerbesteuern werden einbrechen. Das Positive daran: Grüne Gemeinderäte werden endlich ihre Vision von der autofreien Stadt realisieren können. Das Negative: Es wird keinen Grund mehr geben, in die Stadt zu gehen, denn dort wird schlicht und einfach nichts mehr los sein.
Aber jedes Ende ist ein neuer Anfang. Menschen wollen sich nicht allein im virtuellen Raum bewegen. Sie wollen auch live aufeinander zugehen können und direkt miteinander kommunizieren. Sie wollen sich entspannen, unterhalten, Sport treiben, draußen sein. Vielleicht ist ja die Stadt von morgen der Ort, an dem man nicht zum Einkaufen fährt, sondern sich trifft, miteinander in Kontakt kommt und die Freizeit verbringt. Aber dafür müssten erst mal kreative Köpfe neue Konzepte entwickeln. Und es müsste Schluss mit der Maskerade sein.